Anora
Der Film „Anora“ verknüpft Milieustudie, Beziehungskonflikt und Migrationsperspektive zu einer reduzierten, aber konsequent erzählten Geschichte. Sean Baker bleibt seinem Stil treu, zeigt erneut Figuren, die sich am Rand stabiler Verhältnisse bewegen. In einer Welt voller Regeln und Machtstrukturen lässt der Film Raum für Spannungen, die sich aus Nähe, Geld und Herkunft ergeben.
- Amazon Prime Video (Video-on-Demand)
- Mikey Madison, Mark Eydelshteyn, Yura Borisov (Schauspieler)
- Sean Baker(Regisseur) - Sean Baker(Autor) - Sean Baker(Produzent)
- Zielgruppen-Bewertung:Freigegeben ab 16 Jahren
Ani arbeitet in Brooklyn als Stripperin, lernt dabei Vanya kennen, den Sohn eines russischen Oligarchen. Als beide spontan heiraten, ruft das Vanyas Eltern auf den Plan. Eine Annullierung soll folgen, doch Ani stemmt sich zunächst gegen das familiäre Kalkül. Zwischen Kontrollverlust, taktischem Rückzug und Momenten instabiler Nähe verdichtet sich die Lage. Welche Haltung bleibt, wenn emotionale Bindung und Machtinteresse aufeinandertreffen?
Besetzung / Darsteller, Regie und Drehorte
Der Film „Anora“ von Sean Baker feierte im Mai 2024 seine Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes, wo er mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Die romantische Dramedy zeigt Mikey Madison als Anora („Ani“), eine junge Sexarbeiterin. Mark Eydelshteyn übernimmt die Rolle des Ivan („Wanja“), Juri Borissow spielt Igor, Karen Karaguljan tritt als Toros auf und Watsche Towmasjan verkörpert Garnick. Baker schrieb nicht nur das Drehbuch, sondern führte auch Regie und Schnitt. Gedreht wurde von Drew Daniels, die Musik stammt von Matthew Hearon-Smith. Als Produzenten fungierten neben Baker auch Alex Coco und Samantha Quan.
Die Dreharbeiten fanden in Las Vegas und New York statt und endeten im März 2023. Mit einer Laufzeit von 139 Minuten erhielt der Film eine FSK-16-Freigabe. Am 18. Oktober 2024 startete „Anora“ in den USA in ausgewählten Kinos und erreichte dort ein starkes Einspielergebnis. Insgesamt spielte das Werk weltweit über 36 Millionen US-Dollar ein. Bei der Oscarverleihung 2025 gewann „Anora“ fünf Auszeichnungen, darunter für den besten Film und für Mikey Madison als Hauptdarstellerin. In Deutschland kam der Film am 31. Oktober 2024 in die Kinos.
Handlung und Story vom Film „Anora“
Anora „Ani“ Mikheeva arbeitet als Stripperin in Brighton Beach, einem russisch geprägten Viertel in Brooklyn. Über ihren Chef lernt sie Ivan „Vanya“ Zakharov kennen, den verwöhnten Sohn eines russischen Oligarchen. Obwohl Vanya eigentlich zum Studieren in den USA ist, verbringt er seine Zeit mit Partys und Videospielen. Er engagiert Ani für eine Woche und zahlt ihr 15.000 Dollar. Während eines Las-Vegas-Trips macht er ihr überraschend einen Heiratsantrag. Trotz anfänglicher Zweifel nimmt Ani an. Sie kündigt ihren Job und zieht bei Vanya ein, ohne zu wissen, was ihr bevorsteht.
Die Nachricht von der Heirat löst in Russland Unruhe aus. Vanyas Mutter Galina schickt seinen Patenonkel Toros nach New York, um die Ehe zu annullieren. Mit dabei sind Toros’ Helfer Garnik und Igor. In der Villa kommt es zum Eklat: Die Männer beleidigen Ani, was zu einem handfesten Streit führt. Toros setzt Ani unter Druck, beschlagnahmt ihren Ring und bietet ihr Geld für eine Annullierung. Ani willigt scheinbar ein und begleitet die Männer bei der Suche nach Vanya, der inzwischen verschwunden ist. Am Ende der Nacht finden sie ihn betrunken vor einem Stripclub.
Ein stiller Abschied
Vor dem Gericht in Brooklyn stellt sich heraus, dass eine Annullierung nicht möglich ist, da die Trauung in Nevada stattfand. Beim Treffen mit Vanyas Eltern am Flughafen lehnt Galina Ani sofort ab. Vanya zeigt keine Rückgrat und erklärt Ani, dass ihre Ehe nicht bestehen kann. Die Gruppe reist gemeinsam nach Las Vegas. Ani droht mit einem Scheidungsverfahren, wird aber von Galina gewarnt. Angesichts von Vanyas Feigheit und dem Einfluss seiner Familie gibt Ani schließlich nach und unterschreibt die Annullierungspapiere.
Nach ihrer Rückkehr nach New York holt Ani ihre Sachen aus der Villa der Zakharovs. In einem ruhigen Moment stellt sie Igor zur Rede, weil er sie zuvor körperlich überwältigt hatte. Sie beschuldigt ihn, fast übergriffig geworden zu sein, was er bestreitet. Am nächsten Morgen überreicht Igor ihr das versprochene Geld und bringt sie nach Hause. Im Auto gibt er ihr den Ehering zurück. Ani beginnt eine sexuelle Annäherung, bricht jedoch ab, als Igor sie küssen will. Schließlich bricht sie weinend in seinen Armen zusammen.
Fazit und Kritiken zum Film „Anora“
„Anora“ stellt eine präzise Beobachtung gesellschaftlicher Dynamiken und individueller Abhängigkeiten dar. Sean Baker verlagert seinen Blick diesmal auf eine scheinbar privilegierte Welt, ohne die Widersprüche zu glätten. Die Kamera bleibt nah an Mikey Madison, die Anora nicht idealisiert, sondern als vielschichtige Figur zeigt. Ihre Präsenz trägt den Film, weil sie Stärke und Unsicherheit zugleich vermittelt. Auch Mark Eydelshteyn wirkt glaubwürdig als reicher, aber überforderter Sohn, der seine Rolle nicht begreift. Baker nutzt Nebenfiguren wie Toros und Igor nicht als Klischees, sondern verleiht ihnen glaubhafte Ambivalenz.
Die Inszenierung verzichtet auf große Gesten und arbeitet stattdessen mit präzisen Kontrasten. Luxus trifft auf Perspektivlosigkeit, Reichtum auf emotionale Kälte. Baker inszeniert das nicht wertend, sondern lässt die Spannungen wirken. Der Wechsel zwischen trockener Komik und stiller Verzweiflung erzeugt eine eigentümliche Dynamik, die lange nachhallt. Dabei gelingt es ihm, gesellschaftliche Machtverhältnisse sichtbar zu machen, ohne sie zu kommentieren. Gerade in der letzten halben Stunde schärft der Film seinen Blick und führt die Figuren an Grenzen, die sie nicht mehr kontrollieren.